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Abschied von Stadia: Ein Rückblick und ein Blick nach vorn

Es ist vorbei. Der Vorhang ist gefallen. Stadia ist tatsächlich tot. Manch einer hatte Stadia zwar zuvor auch schon für tot erklärt und Hater beschrieben Stadia sogar von vornherein als Totgeburt. Formell ist Stadia aber zumindest seit der Pressemitteilung von Phil Harrison auf dem Sterbebett.

Wir haben Stadia von Tag 1 bis zum bitteren Ende begleitet und möchten zum Abschied über den Verlauf von Stadia und die Zeit danach sprechen.

Es fing eigentlich bereits 2018 vielversprechend unter dem Codenamen „Project Stream“ an. Damals konnte Nutzer mit einer exklusiven Einladung in den USA testweise Assassin´s Creed Odyssey in erstaunlich guter Qualität und mit einer spitzenmäßigen Performance ohne spürbare Latenz erstmals über Chrome streamen. Wir berichteten zuvor und spekulierten über das Potential dieser bahnbrechenden Technologie.

2019 folgte dann die offizielle Einführung von Stadia für die breite Masse in mehreren Ländern (darunter auch Deutschland) mit dem Release der Founders Edition. Ein Bundle für 129 Euro mit einem limitierten Stadia Controller in Night Blue, einem Chromecast Ultra, einer 3-Monatigen Pro Mitgliedschaft für sich selber, einer 3-monatigen Mitgliedschaft für einen Freund zum Weitergeben und einem einzigartigen Stadia-Benutzernamen. In dieser frühen Phase konnte man Stadia allerdings nur als kostenpflichtiger Stadia Pro-Abonnent benutzen.

Die kostenfreie Basis-Mitgliedschaft folgte – wie beim Start von Google angekündigt – erst 2020 und genau dieser Umstand dürfte wohl auch eines der Probleme von Stadia gewesen sein, denn selbst Jahre nach der Einführung war vielen einfach nicht bewusst, dass man Stadia quasi gratis benutzen kann und lediglich für den Kauf der einzelnen Spiele zahlt. Sozusagen wie eine kostenlose Konsole in der Cloud, die physikalische Konsolen und Gaming-Computer teils überflüssig machte und sogar noch mehr Flexibilität bot. Einfach den Browser öffnen oder über Chromecast Ultra direkt auf dem Fernseher Blockbuster streamen, wie es bereits bei Serien und Filme üblich ist.

Auch das Konzept des optionalen Stadia Pro-Abos mit 4K-Streaming, HDR, 5.1 Surround Sound und dem Zugang zu Stadia Pro-Spielen sorgte stetig für Erklärungsbedarf, obwohl das Prinzip im Ansatz vergleichbar mit PlayStation Plus-Spielen oder Games with Gold war. Sprich man konnte eine wachsende Auswahl von Spielen freischalten und während einer aktiven Mitgliedschaft jederzeit spielen, selbst wenn das jeweilige Spiel inzwischen gar nicht mehr zum Stadia Pro-Lineup gehörte. Die Stadia Pro-Spiele unterschieden sich damit stark vom immer beliebter werdenden Xbox Game Pass, der eher wie der Katalog von Netflix funktioniert, bei dem Spiele kommen und gehen, was aber für viele Spieler angesichts der großen Auswahl verschmerzbar ist, zumal sich viele der Spiele auch via Xbox Cloud Gaming (Beta) spielen lassen.

Hier zeigte sich auch das nächste Problem bei Stadia. Zwar hatte man den Vorteil, dass einem im Rahmen von Stadia Pro freigeschaltete oder auch unabhängig vom Abo gekaufte Spiele für immer bleiben, aber gleichzeitig war das Wachstum des Katalogs und auch die Qualität der Auswahl eine Katastrophe. Selbst niedrige Ziele wie der Neuzugang von 100 neuen Spielen pro Jahr. Sicherlich gab es im Stadia Katalog durchaus gute Spiele und auch einige Blockbuster wie Cyberpunk 2077 oder FIFA, aber eben zu wenig. Auch musste Google für einige Hits wie Resident Evil: Village oder Red Dead Redemption 2 sehr tief in die Tasche greifen, um die Publisher zu einer Portierung für Stadia zu bringen. Eine Praxis, die Google nicht mehr fortsetzen wollte, was wiederum zu einer Flaute von größeren Spiele führte, da Publisher nur noch aus freien Stücken für Stadia-Releases sorgten, wobei nur wenige nennenswerte Publisher wie Ubisoft ernsthaften Einsatz für Stadia als Vertriebsweg zeigten und sogar Ubisoft+ um Support für Stadia erweiterte und zahlreiche Stadia-Spiele mit Crossplay ausstatte, was auch nötig war, da die Nutzerzahlen bei Multiplayer-Spielen auf Stadia teils unterirdisch waren. Ein hartes Beispiel ist Outcasters. Ein spaßiges Stadia-exklusives PvP-Spiel, das daran scheiterte, dass man kaum Gegner finden konnten. Ein Spiel, das mit dem Ende von Stadia übrigens leider Geschichte ist.

Uns ist jedoch wichtig zu betonen, dass es nicht um die Anzahl der Spiele im Store ging. Sondern es ging um das Kaliber der Spiele. Indie-Spiele sind ebenfalls toll, aber Spiele wie zum Beispiel GTA, Call of Duty, Fortnite, The Witcher, Skyrim, oder Elden Ring haben riesige Lücken im Stadia Katalog gelassen. Solche Spiele hätte die Plattform gebraucht, um sich dauerhaft als ernsthafte Alternative für klassische Gamer zu etablieren und Cloud-affine Gamer bei der Stange zu halten.

An dieser Stelle muss man einfach von einem eklatanten Mismanagement der Plattform sprechen, was besonders schade ist, da die Plattform prima lief und viele coole Features wie Family Sharing, Direct Streaming zu YouTube, State Share, Stream Connect, öffentliche Parties, Freiheit bei der Wahl des Controllers, Crowd Play, Crowd Choice, Click to Play, kostenlose Demos und ein sehr großzügiges Rückgaberecht bot, die die Nutzung von Stadia einfach, bequem und schnell machte. Auch ein Blick auf die Social Media Reichweite zeigt, dass Stadia sehr viel verschenktes Potential hatte und deutlich mehr Follower hatte als konkurrierende Dienste.

Google hat es zwar mit Stadia letztlich nicht geschafft genügend Nutzer an sich zu binden, um für Publisher lukrativ zu werden, aber Stadia hinterließ einen nachhaltenden Effekt auf den Gaming-Sektor. So sind viele Non-Gamer durch die Zugänglichkeit der Plattform überhaupt erst zu Gamern geworden und zahlreiche Nutzer haben sich durch Stadia zu Cloud Gamern entwickelt. Eine Entwicklung, die kaum umkehrbar ist, da sich für Cloud Gamer, klassisches lokales Gaming wie ein Rückschritt anfühlt, da man dadurch einfach viel flexibler ist, sich keine teure Hardware anschaffen muss und angesichts der steigenden Energiepreise Stromkosten einsparen kann.

Abschließend muss man sagen, dass es natürlich schade ist, dass Stadia weg ist, aber Cloud Gamer müssen nicht wirklich traurig sein, denn zum einem hat Google abgesehen von Zahlungen für Abos sämtliche Käufe von Spielen und Hardware bis auf den letzten Cent zurückerstattet und sogar endlich eine Möglichkeit geboten Bluetooth auf Stadia-Controllern freizuschalten, die man ja behalten darf und zum anderen gibt es großartige Alternativen wie zum Beispiel GeForce NOW und Xbox Cloud Gaming, die sich ebenfalls rasant weiterentwickeln. Dazu kommen noch spendable Reaktionen von Publishern wie Ubisoft, die – wie wir zuvor hier berichteten – Stadia-Nutzern sogar einfach rückwirkend PC-Versionen für ihre Stadia-Spiele geschenkt haben. Auch muss man anmerken, dass man ja die Spiele, für die man das Geld zurück bekommen hat, die ganzen Jahrespielen konnte und man sie sich mit der Rückerstattung sehr wahrscheinlich inzwischen günstig auf anderen (Cloud)-Plattformen kaufen kann, wenn man sie denn wirklich weiterzocken möchte. Wir würden sogar soweit gehen und sagen, dass der Abgang von Stadia deutlich besser gemanagt wurde als der Betrieb der Plattform.

Wir haben jedenfalls weiterhin Freude am Bluetooth-fähigen Stadia Controller und unsere Rückerstattungen in GeForce NOW-Mitgliedschaften und Spielen investiert. Ein Fun Fact ist außerdem, dass GeForce NOW ausgerechnet am Todestag von Stadia seine Serverstruktur ausgeweitet hat und weitere RTX 4080-Server in Deutschland aufgestellt hat. Ob das ein Zufall oder Kalkül ist, wissen wir nicht.

Unser Fazit lautet daher: Stadia mag weg sein, aber Cloud Gaming bleibt.

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